Kleinzeug im Blick

Wirkungsrisiko – Altersfreigabe – Resonanz: Über den Umgang mit Trailern in den FSK-Aussschüssen

Beurteilung von Trailern
 "Filme […], die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, dürfen nicht für ihre Altersstufe freigegeben werden." (JuSchG § 14 Abs.1)

Trailer werden auf der Grundlage des Jugendschutzgesetzes hinsichtlich ihrer Wirkung auf Kinder und Jugendliche geprüft. Dabei sind sowohl die formale Gestaltung als auch die inhaltlichen Aussagen zu beurteilen. Die Prüfung von Trailern ist grundsätzlich unabhängig von der Freigabe des zu bewerbenden Spielfilms. Zwischen der Vorlage eines Trailers und dem dazugehörenden Spielfilm liegen in aller Regel große Zeitspannen, da Trailer viel früher produziert und synchronisiert werden.

Die pluralistisch besetzten Gremien der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) beurteilen im Zuge der Wirkungsdiskussion von Trailern ihre Gesamtwirkung und die Wirkkraft einzelner Szenen. Die Kürze und die Werblichkeit der Trailer verändern die Prüfkriterien und stellen die Prüfer und die Vertreter der Landesjugendbehörden vor besondere Herausforderungen. Trailer vermitteln in einem engen zeitlichen Rahmen ein Höchstmaß an Informationen und verpacken diese in eine aufwendige und handwerklich perfekte Aufmachung.

Die Ausrichtung auf ein junges Publikum spielt bei der Gestaltung und der Beurteilung von Trailern eine wesentliche Rolle: Modernes und jugendaffines Styling und Design, visuell häufig übersetzt in Clip-Ästhetik mit rasanten Schnittfolgen, eine das Geschehen dominierende Musik und Vertonung sowie besondere Bilder, sogenannte „eye-catcher“, sollen dem Betrachter in Erinnerung bleiben. Die Bandbreite aller Genres spiegelt sich in den Inszenierungsstilen der Trailer wider. Je besser es dem Trailer gelingt, eine Kongruenz zwischen Bildern und Musik/Ton herzustellen, umso stärker ist seine emotionale Wirkung auf den Betrachter.

"Ohne Altersbeschränkung"  – "Freigegeben ab 6 Jahren" – "Freigegeben ab 12 Jahren"
Im Kontext der Altersfreigaben "ohne Altersbeschränkung" und "Freigegeben ab 6 Jahren" spielen die Wirkungsrisiken Angst, Übererregung, psychischer wie physischer Stress die vorrangige Rolle. Während diese noch wenig medial sozialisierte Gruppe beim Schauen eines Spielfilms durch eine Exposition mit Figurenzeichnung und thematischer Hinführung zu spannungsreichen Passagen die Zeit und Möglichkeit hat, sich auf die Story einzulassen, so fordert der Trailer im Stile eines "Reiz-Reaktions-Kinos" unmittelbar die größte sinnliche Beanspruchung.

Werden bei problematischen Szenen im Spielfilm immer die Aspekte einer Einbettung in den Kontext der erzählten Geschichte und des Genres abgewogen, so wirken belastende Szenen im kurzen Trailer ohne Kontext und für sich. Darüber hinaus kann beim Langfilm der filmische Rhythmus für eine Kinderfreigabe sprechen, wenn ein Wechsel von spannenden und entspannenden Szenen die Verarbeitung erleichtert. Trailer gewähren selten Erholungsphasen.

Die kognitive Verarbeitung eines Trailers spielt eine eher nachgeordnete Rolle, da Kinder unter 12 Jahren dem schnellen und effektvoll gestalteten Kurzprogramm direkt ausgesetzt sind. Von entscheidender Bedeutung für die Alterskennzeichnung ist aber der Ausgang des Trailers. Wird der kindliche Zuschauer mit einem beängstigenden Ende und dem Spannungshöhepunkt aus dem Film entlassen? Wirkt eine Bedrohlichkeit über den Trailer hinaus? Setzt sich die Angst in der Phantasie des Kindes fort? Greift der Trailer in das Alltagsleben von Kindern ein und setzt ängstigende Impulse? Irritiert die kurze Inszenierung die Werte und Themen, an denen sich gerade die Jüngsten orientieren? Nimmt der Trailer Kindern gerade die Sicherheiten, an denen sie sich festhalten? Verallgemeinern lässt sich sicherlich ein Anspruch, den Trailer für Kinder einlösen sollten: Trailer mit einem positiven, aus Kindersicht versöhnlichen Schluss, einer Entlassung mit einem Gag, einer die Spannung abbauenden Musik, einer vertrauenswürdigen Stimme eines Erzählers, einer Schlussszene, in der alle Figuren, vornehmlich die "Guten", der Held oder die Heldin präsent sind, können auch der jüngsten Altersgruppe zugemutet werden. Gerade Humor, Slapstickeinlagen, Übertreibung und Überzeichnung, sogenanntes "Mickey-Mousing", entschärfen die Wirkkraft von effektvollen und spannungsgeladenen Trailern.

Mädchen und Jungen ab 12 Jahren sind aufgrund ihrer persönlichen Reife, außerfamiliären Sozialisation, Schulbildung, aufgrund der Anfänge selbstbestimmter Freizeitaktivitäten und umfangreicher Medienerfahrungen bereits in der Lage, Trailer unterschiedlicher Genres mit der gebotenen Distanz zu verarbeiten. Insbesondere wegen ihres Medienwissens, dass Trailer, Werbung und Clips ganz bewusst nach bestimmbaren dramaturgischen Gesetzmäßigkeiten gestaltet werden, können sie diese als Unterhaltung, Information und Werbung wahrnehmen und erkennen. Für eine mögliche Beeinträchtigung scheinen bei dieser Gruppe weniger die formalen Gestaltungskriterien relevant zu sein als vielmehr desorientierende Botschaften. Zeigt der Trailer gewalttätige Helden und propagiert er in der dramaturgischen Kürze und Schärfe antisoziales Verhalten? Will er den Zuschauer für bloße Gewalt interessieren? Werden explizite sexuelle Darstellungen präsentiert, die den Erfahrungs- und Verarbeitungshorizont von Kindern überfordern? Nehmen problematische Geschlechterrollen Einfluss auf eine sozialethische Haltung von partnerschaftlichem Zusammenleben? Konfrontiert der Trailer sein Publikum mit Bildern brutaler Gewalt?

Trailer im Prüfverfahren
Das sogenannte "Kleinzeug" gehört im statistischen Sinne zu den stetig anwachsenden Prüfprodukten. Erhielten im Jahr 2001 ca. 300 Trailer eine gesetzliche Altersfreigabe, so stieg die Zahl 2005 auf ca. 400. In der Struktur der Altersfreigaben sind 2005 eindeutig die Kinderfreigaben favorisiert, von 400 geprüften Trailern erhielten etwa 170 "ohne Altersbeschränkung", 85 "Freigegeben ab 6 Jahren" und etwa 115 "Freigegeben ab 12 Jahren". Bei etwa 30 Trailern formulierte der Arbeitsausschuss Wirkungsrisiken für Kinder und votierte für eine Jugendfreigabe ab 16 Jahren.

Spannend und interessant ist ein Blick auf die Trailer, die ein weiteres Mal in einem Berufungsverfahren vorgelegt werden. Hier konzentriert sich die Berufung auf die Altersspanne "ohne Altersbeschränkung" und "freigegeben ab 6 Jahren". Vornehmlich Trailer zu sogenannten Blockbustern und Family-Entertainment-Filmen fordern die Diskutanten im Hauptausschuss zu einer nochmaligen Abwägung über mögliche Beeinträchtigungen für die jüngsten Kinogänger. So standen beispielsweise die Trailer zu folgenden Filmen im Zentrum von ausführlich geführten Wirkungsdiskussionen: DIE WILDEN KERLE, HUI BUH - DAS SCHLOSSGESPENST, DIE CHRONIKEN VON NARNIA, HIMMEL UND HUHN, TIERISCH WILD, ZWERG NASE, DIE KÜHE SIND LOS etc. 

Reaktionen vom Kinopublikum
Zum Vorprogramm im Kino gehen bei dem Ständigen Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden viele Rückmeldungen ein. Kritik bezieht sich auf den Tatbestand, dass vor Spielfilmen mit den Altersfreigaben "ohne Altersbeschränkung" und "Freigegeben ab 6 Jahren" Trailer für künftige Filme laufen, die entsprechend ihres Titels, ihres Genres und ihrer inhaltlichen Aussage sehr wahrscheinlich keine Kinderfreigabe erhalten werden. So kommt es vor, dass vor dem für 6-jährige freigegebenen Zeichentrickfilm DER SCHATZPLAANET Trailer für die Filme GEISTERVILLA oder WIXXER werben. Da die Verbreitungsform von Trailern im Kino immer eine Erstauswertung ist, muss die Beurteilung unabhängig vom Hauptfilm erfolgen. Besonders verärgert sind Eltern im Kino über Trailer, die sexualisierte Darstellungen zeigen, was sie im erzieherischen Sinne als unzumutbar beschreiben. Aber: Die Altersfreigaben sind keine pädagogischen Bewertungen! Für den Kinobesuch mit Einlasskontrolle garantieren sie jedoch, dass keine Trailer im Vorprogramm laufen, die auf Kinder nachhaltig belastend wirken. Der Informationsansatz der Ständigen Vertreter befördert die Transparenz der Entscheidungen. Im Diskurs sollen die Argumente, die die Ausschussmitglieder zu einer bestimmten Altersfreigabe bewogen haben, einsichtig sein. 

Von Birgit Goehlnich aus "TV Diskurs" 04/2006
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